WEIN.WERK: Eine neue Winzergeneration startet durch (Teil 1)

Sie kennen das Projekt WEIN.WERK bereits? Hier ist «Teil 2: Eine erweiterte Werkschau nach einem Jahr» mit neuen Winzer/innen zum entdecken.

Wir waren für Sie wieder einmal auf der Suche nach unbekannten Winzer/innen, noch ungehobenen Weinschätzen, haben uns durchgefragt, bei welchen Kellereien ein Generationenwechsel stattgefunden hat oder unmittelbar bevorsteht und bei Sommeliers nachgehakt, wo zurzeit die neusten Trends in der Südtiroler Weinszene entstehen.

Und siehe da, unsere Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt und ein glückliches Zusammenspiel verschiedener Faktoren dazu geführt, dass wir auf einen solchen Schatz gestossen sind: Das Projekt WEIN.WERK. Eine gemeinsame Initiative von 13 jungen Idealisten, Weinrebellen und Charakterköpfen mit Ideen, Erfahrungen und Ausbildungen in den besten Weinschulen und Kellereien von Europa, Amerika, Südafrika und sogar Australien. Das Ziel: Abseits von Tradition und Mainstream, ohne die Abhängigkeit von starren Organisationen die erstklassigsten Weine zu produzieren und das Terroir des Südtirols in jeder Flasche zum Ausdruck zu bringen. Die Resultate sind umwerfend und einzigartig, glauben Sie uns!

Von Christof Zeller DipWSET, Weinakademiker

Kellermeister von Eichenstein beim Begutachten der Trauben

 

Traditionalisti e Modernisti: Die Weinszene des Südtirols im Wandel

Sie haben uns erwischt. Die Begriffe «Traditionalisti e Modernisti» haben wir aus der Winzerszene des Piemonts und dem langjährigen Streit um die Produktion des besten Barolos übernommen. Die Unterscheidung passt jedoch sehr gut, war dies doch die Zeit des Aufbruchs, als die junge Winzergeneration die grossen Holzfässer ihrer Urgrossväter mit Beil und Hammer zu Kleinholz verarbeiteten und ein Innovationsschub den Barolo zum heutigen Prestigeobjekt und Premiumprodukt werden liess. Eine ähnliche Entwicklung prophezeien wir den Winzer/innen von WEIN.WERK…

 Die Region Südtirol ist geprägt von Gegensätzen: Da ist auf der einen Seite die lange Tradition der gemeinsamen Traubenverarbeitung. Beispiele sind die Kellereien Kaltern, St. Pauls oder Bozen als grosse Genossenschaftskellereien, welche dafür sorgen, dass die Ernte von mehreren hundert Traubenproduzent/innen jedes Jahr zu Wein verarbeitet wird. Trotz hundertjähriger Tradition ist man dort keineswegs stehen geblieben! In den Kellern wird man vom glänzenden Aluminium der neusten Generation von Traubenverarbeitungsmaschinen geblendet, im Einsatz sind die neusten Technologien, um eine qualitativ herausragende Traubenverarbeitung und Weinproduktion zu gewährleisten. Nach altbewährtem Muster werden die Trauben aller einzelnen Lagen verschnitten und mit der Idee einer Qualitätspyramide in unterschiedlichen Weinlinien gefüllt: Junges Traubengut und die hinteren Qualitätsregionen bilden die klassische Basislinie. Die mittleren Qualitäten reifen vor der Auslieferung in der Regel während einem Jahr in grossen Holzfässern im Keller. Topqualitäten, alte Reben und herausragende Einzellagen werden mit geringem Ertrag verarbeitet, häufig mehrere Jahre in kleinen französischen Eichenfässern ausgebaut, um dann als Premiumlinie im Weinhandel für Furore zu sorgen. Im Fokus stehen dabei die konstante Qualität und Aromatik in jedem produzierten Jahrgang.

Weinberg mit Schloss von Weingut Oberstein

 

I Modernisti: WEIN.WERK mischt das Südtirol auf

Wir begleiten die neue Generation der Winzer/innen gemeinsam mit Ihnen und von Anfang an! Die Wein(hand)werker sind so leidenschaftlich mit der Neuerfindung der Weinregion Südtirol beschäftigt, dass sie noch nicht einmal Zeit hatten, eine gemeinsame Webseite zu erstellen: Wer nicht weiss, dass es WEIN.WERK gibt, wird die einzelnen Kellereien auch nicht finden – wir kennen keine bessere Definition eines echten Geheimtipps…

 Aber von vorne: Die «Modernisti» oder eben die Winzer/innen von WEIN.WERK wollen keineswegs aus Prinzip die über Generationen weitergegebenen Weinbautechniken oder das traditionelle Kellerhandwerk «mit Beil und Hammer zu Kleinholz verarbeiten». Sie wollen sich jedoch von den Fesseln der Tradition befreien und frei entscheiden können, welche Anbaumethode, Traubensorte oder Kellertechnik für den Einzelfall am besten passt.

 Sie wollen die Liebe zu ihrem Handwerk ins Zentrum stellen und auf Inhalte statt auf die Form fokussieren. Gemeinsam tauschen sie ihre Erfahrungen aus und suchen nach der perfekten Kombination von Rebe, Lage und Boden. Sie wollen Grenzen ausloten und experimentieren mit Naturwein, genauso wie mit PIWI-Sorten (die Abkürzung steht für pilzwiderstandsfähige, speziell gezüchtete Rebsorten, die einen natürlichen Schutz gegen Pilze und Krankheiten aufweisen, weshalb auf den Einsatz von Fungiziden oder anderen Pflanzenschutzmitteln praktisch verzichtet werden kann). Mit dem Ausbau von Einzellagen, statt der Produktion von Verschnittweinen, wollen sie die Aromatik der einzigartigen Böden und die Sortentypizität einfangen. Minimalinvasive Weinproduktion im Einklang mit der Natur.

Prospekt von Weinwerk hinter Lampe aus der Vogelperspektive

 

Zu Besuch bei Eichenstein, dem Weingut Oberstein, Prackfol und dem Wassererhof

Um allen Winzer/innen unsere volle Aufmerksamkeit zu schenken und deren Sortimente eingehend zu degustieren, haben wir uns beim vergangenen Besuch auf vier Produzenten beschränkt. Wir werden die Besuche bei den anderen Mitgliedern von WEIN.WERK schon bald nachholen, versprochen!

Versteckt an der Flanke des Etschtals in luftiger Höhe wurden wir bei Eichenstein von Kellermeister Martin Pollinger freundlich willkommen geheissen. Bei der ausgiebigen Rebbergbegehung und Begutachtung der auf 600 Meter über Meer wachsenden Reben diskutierten wir über seine spezielle Technik der Grünernte (statt die halben Traubencluster abzuschneiden, schneidet er in der Hälfte der Dolde einen Ring hinein, um eine bessere Belüftung der Trauben zu gewährleisten), über Bepflanzungsdichte und Rebenalter. Bei der anschliessenden Degustation konnten wir durchs Band elegante, mineralische und charakterstarke Weine geniessen. Besonders gefallen hat uns der Sauvignon DOC Stein 2020 mit Aromen von erfrischendem «Zitronenmelissenbonbon», Feuerstein, schwarzer Johannisbeere und runder Säure. Eine Rarität stellt Martin mit dem Rosé Carina IGT 2021 her; ein leichtfüssiger, erfrischender Roséwein aus 100 % Vernatsch-Trauben.

Vor einer eindrücklichen Kulisse wurden wir von Joachim Wolf auch beim Weingut Oberstein herzlich begrüsst. Seinen, einem Amphitheater gleich, angelegten Rebberg bewirtschaftet er mit besonderer Hingabe. Statt zu wipfeln (um das vegetative Rebenwachstum zu begrenzen und alle Nährstoffe in die Trauben zu lenken, werden im Sommer jeweils die Triebe der Reben zurückgeschnitten), wickelt er bei seinen Reben die Triebspitzen um den obersten Draht des Tragrahmens und erhält so zusätzlich ein natürliches Schattendach, um die Säurewerte in seinem Traubengut besser kontrollieren zu können – vielleicht eine Technik mit Zukunft, wenn sie vom einem ehemaligen Dozenten an der Rebbauschule Laimburg angewendet wird. Unbedingt probieren sollte man seinen Weissburgunder IGT Lapis 2018 mit der ausgeprägten Mineralik und leicht an Brioche erinnernden Aromatik. An einen eleganten Pinot Noir aus dem Burgund erinnert ausserdem der Arena IGT 2016, welcher aus 90 % Vernatsch und 2 % Lagrein hergestellt wird.

Wer seine Reben mit unverbautem Blick, direkt auf die Dolomiten pflanzt, wird wohl mit doppelter Freude die tägliche Arbeit im Rebberg erledigen. Petra und Patrick Planer von Prackfol fokussieren ihre gesamten Bemühungen auf die Perfektionierung ihrer drei Weine. Nachdem sie den Hof übernommen haben, wurde vor kurzem auch der Keller umfassend erweitert und modernisiert sowie Neupflanzungen zur Vergrösserung der Weinbergfläche vorgenommen. Bis vor kurzem lieferte er seine Sauvignon blanc Trauben noch an den Produzenten von einem der besten Sauvignon blancs des ganzen Südtirols (es wäre unfair, den Namen zu verraten). Nun finden sich die Trauben in seinem eigenen, hervorragenden Sauvignon DOC, weshalb wir nicht umhin kommen, diesen Wein besonders zu empfehlen. Nicht weniger empfehlenswert ist sein intensiver Blauburgunder DOC.

Schlussendlich genossen wir in der sanft renovierten, eindrücklichen Törggelenstube (auch kulinarisch ein Geheimtipp!) vom Wassererhof die Weine von Christoph Mock. Er fokussiert bei seiner Rebberg- und Kellerarbeit vor allem auf die ph-Werte und weniger auf die üblichen Brix- oder Öchslegrade (die zwei gebräuchlichen Masseinheiten für die Bestimmung der Zuckergrade in Trauben und in Obst). Das Resultat ist hervorragend. Über die Weine und die entsprechenden Empfehlungen informieren wir Sie gerne im kommenden Newsletter!

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