Das kolloidale Fladenpräparat oder warum biologischer und biodynamischer Weinbau die Zukunft ist

Sie landen auf dieser exquisiten Weinseite und kennen das kolloidale Fladenpräparat nicht? Lassen Sie uns helfen! 

Von Christof Zeller DipWSET, Weinakademiker

Die «Bordeauxbrühe» oder wie biologischer Weinanbau funktioniert 

Ja klar, beim Thema biologischer Weinanbau sind Sie stark auf der Brust! Mit dem biologischen Weinbau ist es wie mit allen gesellschafts-populären Schlagwörtern: Obwohl jede Person eine Meinung dazu hat, fällt es bei näherem Hinschauen durchaus nicht ganz leicht, eine sinnvolle Definition zu finden… 

Bedingt durch den internationalen Wildwuchs an BIO-Label und -Zertifikaten ist eine erste Annäherung an den Begriff wohl schlechterdings nur durch eine negative Abgrenzung möglich. So werden dazu alle Traubenanbau-Methoden gezählt, welche ohne künstlich hergestellte Düngemittel, Fungizide, Pestizide oder gentechnische Eingriffe auskommen – auch als konventioneller Weinanbau bezeichnet. 

Die positive Definition des biologischen Weinanbaus bleibt eine unscharfe und weitgreifende: Dazu zählen alle nachhaltigen Anbaumethoden, die respektvoll mit der Natur umgehen, auf industrielle Produktionsmethoden verzichten und die Trauben in der Regel von Hand gelesen werden. Dabei steht die Idee im Vordergrund, dass keine systemisch wirkenden Präparate (d.h. keine Mittel, die in die Reben und Trauben eindringen), sondern lediglich sogenannte Kontaktmittel für die Pflanzenpflege benutzt werden. Das bekannteste Beispiel hierzu ist die Schwefel-Kupfer-Lösung, nach ihrem ursprünglichen Einsatzgebiet auch «Bordeauxbrühe» genannt. Fun Fact: Biologische Weine werden von kritischen Weingeistern häufig als nicht lange haltbar und nicht alterungsfähig bezeichnet – einige der grössten Weine im Bordeaux werden nach biologischen Richtlinien hergestellt; insgesamt sind bereits über 20 % aller Weine des Bordelais biologisch oder biodynamisch zertifiziert! 

 

 

Doch wo versteckt sich nun dieses besagte kolloidale Fladenpräparat genau?! 

 

Das «kolloidale Fladenpräparat» oder wie Biodynamie neue Standards setzt 

Noch einen Schritt weiter geht der biodynamische oder auch biologisch-dynamisch genannte Weinbau. Diese Art der Weinkultivierung – ursprünglich geprägt durch den Anthroposophen Rudolf Steiner – will neben Nachhaltigkeit und Respekt im Umgang mit der Natur nichts weniger als eine Verbindung zwischen Winzer, Rebe, Boden und Tierwelt herstellen. 

Durchaus im Bereich des eigenen Vorstellungsvermögens und der nachvollziehbaren Sinnhaftigkeit liegen dabei die Erhaltung und Förderung der Biodiversität und Tierwelt im Rebberg durch die Einsaat von Mohn, wildem Roggen und allerlei Kräutern. Ebenso die Anreicherung des Komposts mit bzw. die «Dynamisierung» genannte Zugabe von Schafgarbe, Kamille, Löwenzahn oder Brennesseln. Und auch der Verzicht auf Zuchthefen im Weinkeller lockt heute schon lange keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor. 

Im populärwissenschaftlich etwas schwieriger nachzuvollziehenden Kontext bewegen sich im biodynamisch bewirtschafteten Rebberg wohl die Zugabe von in Kuhhörnern vergrabenem Mist, die Berücksichtigung des Mondzyklus bei der Behandlung der für die vier Elemente stehenden Rebenteile Wurzel (Erde), Laub und Triebe (Wasser), Blüte (Luft) und Frucht (Feuer) oder auch die Nutzung von Teeaufgüssen zur Rebenpflege. Welche Auswirkungen dieser Praktiken unmittelbar in den jeweiligen Weinen spürbar sind, sei dahingestellt. Auf jeden Fall zeugen sie von einer unglaublichen Hingabe zum Produkt und einem vorbildlichen Umgang mit den natürlichen Ressourcen – nur schon deshalb sind diese Weine mit Ehrfurcht und Bedacht zu geniessen! 

Ach ja, wir schulden Ihnen noch eine Erklärung zum «kolloidalen Fladenpräparat»: Es handelt sich dabei um ein von Maria Thun entwickeltes und Paolo Pistis weiter verfeinertes Präparat, welches die Zersetzung und den Abbau der organischen Stoffe im Rebberg stimulieren und die Anwesenheit bzw. Aktivität der Regenwürmer fördern soll. Hergestellt wird es aus frischem Kuhmist, Basaltmehl, fein gemahlenen Eierschalen, Ton und Hornspänen. 

 

«Hartes Brot» oder warum biologische und biodynamische Weine eine Extraportion Liebe enthalten 

Es wird wohl niemand bestreiten, dass in Zeiten von Klimaerwärmung, verrücktspielendem Wetter und dem sich immer weiter in den Spätsommer hineinverschiebenden Erntezeitpunkt ein respektvoller und nachhaltiger Umgang mit der Natur ganz sicher nicht der falsche Weg darstellt.

Die Hinnahme von – im Vergleich zum konventionellen Rebbau – erheblichen Ernteeinbussen (z.B. durch die Rebenkrankheit Esca oder Pilzbefall), die aufwändige Herstellung der einzelnen Stimulanzien und die sisyphusartige Pflege des Rebbergs (im Gegensatz zu systemisch wirkenden Pflanzenschutzmitteln müssen die biologischen und biodynamsichen Kontaktmittel nach jedem Regenschauer von neuem aufgetragen werden) kann nur mit äusserster Hingabe und Leidenschaft für die Reben und Trauben erklärt werden. Das spüren auch Sie im Gespräch mit den jeweiligen Winzern und beim Genuss der exzellenten Weine!  

Eine repräsentative Auswahl biologisch produzierter Weine aus dem Südtirol finden sie zum Beispiel beim Weingut Brunnenhof. Biodynamisch produzierte Weine, häufig erkennbar am Demeter-Zertifikat und – zumindest der erstere – garantiert mit dem Einsatz des kolloidalen Fladenpräparats hergestellt, sind der Vigna Premstallerhof, die Weine von Manincor oder das Weingut Loacker. Eine Gruppe besonders leidenschaftlicher Biodynamiker hat sich unter dem Label «respekt-BIODYN» zusammengeschlossen.