Jahrgangsbericht Südtirol 2024: Ein verregnetes Weinjahr

Die Weinqualität als Kombination aus Glück im Rebberg und Kunstfertigkeit im Keller

Nachdem die Winzer/innen sich bereits in den Vorjahren mit einer anspruchsvollen Ausganglage konfrontiert sahen, mussten sie im aktuellen Jahr mit noch extremeren Wetterbedingungen zurechtkommen.

Erfahrungswerte und Wettervorhersagen wurden buchstäblich weggeschwemmt. Versierte Weinbauern wurden bei Entscheidungen im Rebberg plötzlich auf ihr Glück zurückgeworfen. Die extremen Bedingungen führten zu Ernteeinbussen von bis zu 50%. Um das restliche Traubenmaterial zu retten, waren viel Handarbeit und Pflege unverzichtbar. Im Vorteil waren hier alle Winzer/innen mit kleineren Anlagen und vielen unterstützenden Händen aus Familie, Verwandtschaft und dem Freundeskreis.

Die Wetterbedingungen waren so ausserordentlich, dass wir zur Überprüfung die Wetterdaten des Landesamts für Meteorologie Südtirol anforderten und sie mit den zahlreichen Eindrücken unserer Winzerfreund/innen abgeglichen haben. Für den detaillierten Jahrgangs- und Erntebericht 2024 haben wir das Weinjahr grob in drei Wetterperioden unterteilt.

Die zur Verfügung stehenden Mengen an Topweinen 2024 (Tor di Lupo, Lagrein Taber, Sauvignon Exklusiv etc.) werden gering ausfallen. Sobald diese Weine verfügbar sind, erfahren Sie es in unserem Newsletter.

Christof Zeller DipWSET, Weinakademiker

Die Reben im Frühling: Austrieb und Blüte

Der Austrieb, das Aufbrechen der Knospen und der Wachstumsbeginn der Triebe erfolgte zwischen April und Mai, nachdem die durchschnittlichen Tagestemperaturen während mehreren Wochen auf rund 8 - 10 Grad Celsius gestiegen waren. Nach dem Austrieb sorgten regelmässige Regenfälle, in Begleitung mit tieferen Temperaturen zu einem verzögerten Rebenwachstum, welcher auch im restlichen Jahr nicht mehr aufgeholt werden konnte.

Zu allem Übel gab es in einigen Regionen zusätzlich Spätfrost, welcher den jungen Trieben empfindlich zusetzte. Einige Weinbaubetriebe, wie zum Beispiel das Kloster Neustift, konnten reagieren und stellten in den Rebbergen sogenannte Frostkerzen auf. Diese Wetterbedingungen führten zu signifikanten Ertragsausfällen.

Die auch während der Blüte, in Mai und Juni, überdurchschnittlichen Regenfälle führten ausserdem zu einer starken Verrieselung der Trauben (die Trauben wachsen an den Rispen nur unregelmässig und in unterschiedlichen Grössen), was die Ertragsausfälle weiter ansteigen liess.

Insidertipp: Eine Faustregel besagt, dass zwischen Blüte und Traubenernte rund 100 – 120 Tage liegen.

Die Trauben im Sommer: Wachstum und Veraison (Farbumschlag)

Der Sommer blieb bis Ende Juli feucht, mit immer wiederkehrenden Regenperioden. Mit einen intensiven Pflanzenschutz und vielen Spritzdurchgängen (oder viel zusätzlicher Handarbeit in den biodynamischen und naturnahen Weinbetrieben) versuchten die Winzer/innen und Weinbauern der erhöhten Gefahr von Pilzkrankheiten wie Peronospora und Oidium (falscher und echter Mehltau) zu begegnen.

Nach dem Dauerregen und den kühleren Temperaturen folge im Juli und August endlich die langersehnte (temporäre) Erlösung mit den steigenden Temperaturen. Die langersehnte Aufholjagd bei der Reifeentwicklung begann. Und wurde von der einsetzenden Hitze Mitte August abrupt beendet. Die grosse Hitze sorgte in vielen Lagen für einen Wachstumsstopp, welche die durch den verhaltenen Jahresauftakt bereits verzögerte Reifeentwicklung bei den verbleibenden Trauben weiter verlangsamte bzw. stoppte. Um die Bedingungen weiter zu verschärfen, mussten bestimmte Parzellen in Brixen, Bozen und im Unterland tatenlos zuschauen, wie der Hagel im August die bereits stark reduzierten Erntemengen und das verbleibende, gesunde Traubenmaterial weiter dezimierte.

Immerhin in Bezug auf die Trauben- und die potentielle Weinqualität hatte der Trockenstress eine positive Wirkung, indem das Traubengewicht im Durchschnitt tiefer lag und kleinere Beeren entstanden. Mengenmässig ein Albtraum, musste nach den Frühlingsverlusten weitere Mengeneinbussen von bis zu 50% hingenommen werden.

 

Das Weinjahr im Herbst: Traubenernte und Weinkeller

Bereits im September sanken die durchschnittlichen Temperaturen wieder unter den langjährigen Durchschnitt und der unerträgliche Regen setzte wieder ein. Erst Mitte Oktober brachte das milde Herbstwetter die neuerliche Hoffnung auf reifes und gesundes Traubenmaterial zurück. 

Die Wärme kam zu spät für die Sektgrundweine und die ersten frühreifen (weissen) Sorten in tiefen Lagen, deren Erntebeginn bereits auf Anfang September gelegt worden ist. Immerhin konnten dadurch viele weisse Trauben vor dem neuerlichen grossen Regen geerntet werden. Stark ertragsreduziert zwar, dafür beim verbleibenden Traubenmaterial mit teilweise hervorragenden Traubenqualitäten. «Wir wissen, dass die Wetterbedingungen es vielen unserer Winzerkolleg/innen erschwert haben, den optimalen Lesezeitpunkt zu finden. Zudem war die Ernte in diesem Jahr insgesamt kleiner; am dramatischsten war es bei unserem Gewürztraminer, bei dem wir nur die Hälfte der letztjährigen Menge lesen konnten» erzählt Carmen Augschöll vom Röckhof im Eisacktal.

Die Lese der spätreifen Weissweinsorten und der Rotweine wurde ein weiteres Mal von Regenfällen begleitet. Dies und die - verrieselungsbedingt - ungleichmässige Reife, erschwerte die Wahl des richtigen Erntezeitpunkts und erforderte eine rigide Qualitätskontrolle jeder einzelnen Traubenbeere - ein immenser zeitlicher und personeller Aufwand.

Das durchzogene Wetter mit den häufigen Temperaturwechseln hatte immerhin den Vorteil, dass die Unterschiede der Tages- und Nachttemperaturen zu einer guten Säurestruktur und ansprechenden pH-Werten führte. Im Keller zeigen sich einzelne Weissweine aktuell sehr vielversprechend. Bei den Rotweinen sind sowohl Mostgewichte als auch die phenolischen Reifegrade sehr ungleichmässig verteilt. Aufgrund der anspruchsvollen Wahl des richtigen Erntezeitpunkts, ist die Traubenqualität bei den roten Sorten bis zu einem gewissen Mass vom Glück der Winzer/innen abhängig. Insgesamt ist bei den Rotweinen aktuell von einem eher feingliedrigen und eleganten Jahrgang auszugehen. Ganz bestimmt wird eine vorgängige Degustation der (Rot-)Weine aus dem Jahrgang 2024 unverzichtbar, um die guten Qualitäten einzukellern.

Um hinsichtlich der Entwicklung der Jahrgangsqualität 2024 auf dem Laufenden zu bleiben, empfehlen wir Ihnen, unseren Newsletter zu abonnieren.

Die Probe aufs Exempel, wie sich unterschiedliche Jahrgänge auf die Weinqualität auswirken, können sie mit diesem Jahrgangsset machen.