Das Südtirol und ich - Episoden einer langjährigen Beziehung

Die Vergangenheit, die Gegenwart und eine vielversprechende Zukunft!

1947, als fünfjähriger Bub, begleitete ich erstmals meinen Vater Georg auf eine Reise nach Bozen. In Erinnerung geblieben sind mir vom Grenzübergang auf dem Brenner der Gang in das zerbombte Zollgebäude, die französischen Besatzungssoldaten und italienischen Finanzer in schmucken, die österreichische Grenzwächter in eher schäbigen Uniformen. Ich wohnte bei der Familie unseres damaligen Hauptlieferanten Mayrgündter in Bozen-Gries. Ein Jahr später dann verbrachte ich einen ganzen Monat in Trento. Zusammen mit Gino Todesca, der später einmal mein Firmpate werden sollte, gründete mein Vater die Vinexport AG und sie bauten eine neue Weinkellerei in Neumarkt-Egna. Die italienische Sprache wurde für mich geläufiger.

Von Marco Vogel, Weinvogel SA

Das Weinhandwerk von der Pike auf gelernt

Gino nahm mich fast täglich auf seinen Besuchsfahrten zu den Winzern beidseits der Sprach- und Provinzgrenze mit. Dabei erlebte ich eine Anlage für den Vogelfang. «Polenta e osei» (Polenta und Vögel) damals ein Leibgericht auch der Trentiner. Teile der Schulferien verbrachte ich immer wieder im Südtirol. 1960 lernte ich die Arbeiten in einer Weinkellerei kennen. Ich wollte alles machen, für keine Aufgabe durfte ich mir zu gut sein. Eines Tages liess mich der Direktor Mario Todesca ins Büro rufen. Sein Vater Gino war verstorben und er war nun der Partner meines Vaters. Er habe vernommen, dass ich alle Arbeiten in der Kellerei ausführen würde. Auch das wenig beliebte Fassputzen von innen. All das müsse ich fortan lassen. In der Mentalität der Kellereiarbeiter sei ich einer der ihnen die Arbeit wegnähme und somit die Existenz gefährde. Bei meinem Weggang bemerkte Mario, er wisse schon, dass ich mich nicht an seine Weisung gehalten hätte.

Ein eigener Rebberg auf dem Premstallerhof

Ende 1961 kam es zum Kauf des Premstallerhofes in Sankt Magdalena-Bozen. Während sich die Rebanlagen in leidlichem Zustand befanden, war dies beim Wohnhaus überhaupt nicht der Fall. Ein Scheisshäusel stand draussen auf dem Vorplatz, in einem der Schlafzimmer lag neben der Bettstatt ein zerlegtes Motorrad. Hans Rottensteiner, dessen Weinkellerei inzwischen neben der Schlosskellerei Campan des Grafen von Enzenberg zum wichtigsten Lieferanten geworden war, beaufsichtigte die Sanierung des Hauses, so dass die Familie Hafner im Frühjahr 1962 einziehen und mit der Bearbeitung der Rebberge beginnen konnte. Immer unter der tatkräftigen Leitung von Hans Rottensteiner wurde zwischen 1965 und 1976 die Rebfläche beinahe verdoppelt. Wann immer ich konnte half ich bei den Rodungsarbeiten im Winter.

Mit Gertrud und vereinten Kräften

Nach Beendigung des Wirtschaftsstudiums und langen Militärdienstzeiten trat ich 1969 in die Weinimportfirma meines Vaters ein. Beinahe monatlich reise ich seither ins Südtirol. Hier habe ich einen grossen Bekanntenkreis, viele liebgewonnene Orte, fühle ich mich so gut wie zuhause. Meiner Frau Gertrud ist es mittlerweile ebenso ergangen. Erstmals lernte sie Südtirol und den Premstallerhof 1976 auf unserer Hochzeitsreise auf dem Weg von Bayern in die Toskana kennen. Mit unseren drei Buben verbrachte sie viele Ferientag auf dem Hof. Schliesslich beschloss sie 2002 die Bewirtschaftung selbst an die Hand zu nehmen. Von Mitte März bis Ende Oktober weilt sie seither in Bozen und hat soeben ihre 21. Saison abgeschlossen.

Eine neue Generation übernimmt das Ruder

Mit dem Eintritt unseres jüngsten Sohns Sebastian in die Weinhandlung im Jahr 2007 fand die geschäftsmässige Fortführung der Beziehung zum Südtirol ihre Fortsetzung. Unumgänglich war die Anpassung des Geschäftsmodells an die heutige Zeit. Bis Ende der Achtziger Jahre wurde aus dem Südtirol nur «lose», d.h. in Reservoirwagen auf der Schiene und später im Tanklastzug auf der Strasse importiert. Kunden waren Weinhändler, welche alle selbst abfüllten oder bei einem anderen Betrieb abfüllen liessen. Dies galt auch für praktische alle anderen Weinbauregionen, die in die Schweiz lieferten. Nur allmählich kam der Import von im Ursprungsgebiet abgefüllten und im Glas importierten Weinen auf. Für Südtirol heute der Normalfall. Die grosse Diversifizierung bei den Weinsorten und die enorme Zunahme der Anzahl Weinproduzenten hat das Geschäftsmodell grundlegend verändert. Dies bedeutete für Sebastian eine riesige Herausforderung, die er jedoch mit grossem Einsatz und Begeisterung gemeistert hat. Habe zwar wenig dazu beigetragen, bin aber trotzdem stolz auf die Leistungen, die die Südtiroler Weinwirtschaft in neuerer Zeit erbracht hat. Neben meiner schweizerischen Heimat ist dieses Land für mich eine Herzensangelegenheit geblieben.