Ein Knigge für Weinmessen

Wir sind bereit für Sie. Sind Sie bereit für einen Besuch an der EXPOVINA?

Für die «smarten Speedreader» vorneweg: Wer Weinmessen mit dem Ziel besucht, kostenlos die persönliche Leistungsfähigkeit seiner Leber auszumessen, der darf getrost auf die Lektüre dieses Beitrags verzichten und die dadurch frei gewordene Zeit in das Aufbautraining investieren (wir sind keine Moralapostel - das überlassen wir anderen, deshalb: Viel Spass und runter damit!).

Für alle anderen: Wenn die Temperaturen langsam sinken, die Wälder sich – im Licht der tiefstehenden Sonne – in ihrem goldleuchtenden Blätterkleid präsentieren und auf allen Restaurantkarten die Wildsaison eingeläutet wird, hat unverkennbar der Herbst Einzug gehalten. Das bedeutet auch, dass die Traubenernte abgeschlossen ist, die frisch vergorenen Weine im Keller ruhen und die Winzer/innen wieder etwas mehr Zeit für andere Dinge haben. Zeit, um an den grossen Weinmessen ihre Weine zu präsentieren; allen voran an der EXPOVINA auf den Weinschiffen am Bürkliplatz in Zürich.

Wir haben für die kommende Weinmesse-Saison die wichtigsten Tipps und Tricks zusammengestellt, um das Maximum aus einem Besuch herauszuholen und um mit einem gut gefüllten Weinkeller in den Winter zu starten.

Von Christof Zeller DipWSET, Weinakademiker

Weinflasche mit Korken mit Segel darauf - Weinschiff

Als die Marktschreier noch kein Internet hatten

Wieso gibt es heute überhaupt noch Weinmessen, wenn man sich Wein, wie alle anderen notwendigen oder überflüssigen Konsumgüter, bequem und meist kostenlos per Mausklick nach Hause liefern lassen kann?

Ursprünglich – eine erste Messe ist für das Jahr 1084 belegt – im Mittelalter entstanden, wurden Messen jeweils als Nebenprodukt einer Kirchenfeier (deshalb auch der Name, welcher vom lateinischen «missa» stammt) abgehalten. Sie fanden in einem sicheren Rahmen unter dem Schutz der Obrigkeit statt (inkl. Hin- und Rückreise) und dienten dazu, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen, waren ein Anlaufpunkt für den Erwerb von seltenen Gütern aus dem Fernhandel und immer auch eine Gelegenheit, sich über die neuesten Gerüchte auszutauschen und Informationen zu teilen.

Auch wenn das Internet für viele Güter, mitunter auch für Wein, ein sinnvoller Bezugskanal darstellt, kann der damit zusammenhängende Komfort doch nie alle Vorteile einer Weinmesse aufwiegen: Wein ist ein sinnliches Produkt, das probiert, gefühlt, gerochen und geschmeckt werden muss, um es in all seinen Dimensionen zu erfahren. Und wo sonst gibt es die Möglichkeit eine fast unendliche Anzahl verschiedener Weine zu probieren und deren Qualitäten miteinander zu vergleichen? Im fachlichen Austausch erfährt man Geschichten zum verkosteten Wein, kann eine Beziehung zu den Produzenten aufbauen und erhält wichtige Hintergrundinformationen zur Produktion, zum Ausbau und zu allfälligen Jahrgangsspezifika des Weins. Und nebenbei erwähnt; nach wie vor kann man sich an Weinmessen lustvoll über die neusten Gerüchte der Weinbranche austauschen und sich mit Klatsch und Tratsch versorgen.

Wir können von uns zwar nicht behaupten, dass wir in den vergangenen knapp 1'000 Jahren keine dieser Weinmessen verpasst hätten, und doch bringen wir einiges an Erfahrung mit, um Ihnen den einen oder anderen Tipp mit auf den Weg zu geben, wie man das Maximum aus einem Weinmesse-Besuch herausholt.

Wenn nach dem dritten Glas der nächste Wein immer noch besser schmeckt

Wir kennen die Verlockung von Weinmessen, dieses unerschöpfliche Füllhorn an Geschmäckern, Trouvaillen, Weine «die ich schon immer einmal probieren wollte» und befreundete Weinhändler/innen und Winzer/innen, welche einem zur Begrüssung das gefüllte Glas entgegenstrecken. Deshalb gilt umso mehr: Eine gute Vorbereitung ist die halbe Miete! Machen Sie sich bereits vor dem Besuch der Weinmesse einen Plan. Auf welche Rebsorten möchten Sie fokussieren, welche Länder oder Regionen interessieren Sie oder möchten Sie die neuen Jahrgänge von bereits bekannten Weinen probieren? Dabei gilt: Weisswein vor Rotwein vor Süsswein - Schaumweine können (wenn sie etwas Klasse haben) grundsätzlich immer dazwischen gestreut werden. Und: Weniger ist in der Regel mehr - Sie können unmöglich das ganze Weinschiff trinken. Setzen Sie deshalb Schwerpunkte und kommen Sie lieber an mehreren Abenden vorbei, wenn Sie verschiedene Themen durchprobieren möchten. Die Regel «weniger ist mehr» gilt übrigens auch für die Menge an Parfüm, welche Sie an Ihrem Hals tragend, an die Weinmesse mitbringen.

Nachdem Sie Ihre Taktik festgelegt haben, geht es nun an die Umsetzung. Falls Sie sich die EXPOVINA Weinmesse ausgewählt haben, hier ein kleiner Geheimtipp: Um mit den Weinhändlern ausführlich ins Gespräch zu kommen und die Weine ausgiebig zu geniessen, eignen sich besonders die Nachmittage in der ersten Hälfte der Weinmesse! An Ihrem ausgewählten Stand angekommen, werden Sie höflich begrüsst und nach Ihren Vorlieben gefragt. Glauben Sie uns, Sie müssen die Weinhändler/innen und -spezialist/innen nicht mit allfälligem (Halb-)Wissen beeindrucken – es ist unser Job, Sie mit den ausgeschenkten Weinen zu verblüffen. Hier hilft vielmehr eine transparente Kommunikation über persönliche Vorlieben (Geschmack, was trinken Sie sonst gerne für Weine, mögen Sie eher schwere oder leichte Tropfen etc.). Sie dürfen selbstverständlich auch die Etikette kommentieren, auch wenn dies meist etwas (zu)viel der Ehrlichkeit ist (und mit einem höflichen Lächeln übergangen wird).

Obwohl dies für einen Knigge etwas seltsam anmutet: Die Lösung heisst Spucken, spucken und noch einmal spucken! Wenn Sie viele Weine verkosten möchten, ohne Ihren messerscharfen Sachverstand zu trüben (sodass nach dem dritten Glas der folgende Wein immer noch besser schmeckt als der Letzte), empfehlen wir Ihnen, neben dem regelmässigen Wasserkonsum, entweder nur kleine Weinproben zu trinken oder sich diesen nach dem Kreisen im Gaumen wieder in einem geeigneten Behältnis zu entledigen.

Dokumentieren Sie ihre Weinreise mit kurzen Hinweisen auf Ihrer Weinliste. Es muss selbstredend nicht dem Romanformat von Tolstoi entsprechen; ein kurzes Plus oder Doppelplus bei Weinen, die Ihnen besonders gut schmecken reicht vollauf.

Die Gelegenheit zur Überprüfung unserer Tipps auf ihre Stichhaltigkeit haben Sie an der EXPOVINA 2023. Sie treffen uns auf dem Hauptdeck des Schiffs «Stadt Rapperswil», an Stand 608. Unser Angebot (für die Messevorbereitung) und eine Auswahl der besten EXPOVINA-Weine inkl. einer exklusiven Spezialabfüllung aus den Trauben von 65-jährigen Rebstöcken finden Sie im kommenden Newsletter (den Sie über diesen Link oder unten auf unserer Webseite abonnieren können).